Der Winter hat Europa fest im Griff. Die Kälte hat bereits mehrere Todesopfer gefordert: In Polen sind in den letzten zwei Tagen nach aktuellen Kenntnissen zehn Menschen erfroren. Auch in der Ukraine sind vier Personen der Kälte zum Opfer gefallen. An der bulgarisch-türkischen Grenzen haben Anwohner in einem Waldgebiet derweil die Leichen zweier erfrorener Iraker gefunden – offensichtlich Flüchtlinge.
Der Winter behindert auch den Personen- und Güterverkehr: In der türkischen Millionenmetropole Istanbul mussten seit Freitag wegen der heftigen Schneestürme am Flughafen Atatürk derweil Hunderte Flüge gestrichen werden. Der Bosporus – eine der wichtigsten Wasserstrassen der Welt – wurde am Samstagmorgen für den Schiffsverkehr gesperrt. Auch in Serbien türmte der Wind den Schnee am Freitag bis zu zwei Meter hoch. Selbst in Neapel schneite es.
Polen erleidet «den tragischsten Tag dieses Winters»
In Teilen Polens liegen die Temperaturen seit Donnerstag bei minus 20 Grad und darunter. Nach Angaben der Wetterexperten dürfte sich die Kältewelle am Wochenende fortsetzen. Neben mindestens zehn Kältetoten starben zwei weitere Menschen, weil sie an Kohlenmonoxid aus defekten Heizungen erstickten.
Der Freitag sei bislang «der tragischste Tag in diesem Winter», sagte die Sprecherin des Regierungszentrums für nationale Sicherheit (RCB), Bozena Wysocka. Der Wintersturm tobte am Freitag mit bis zu 90 Kilometern pro Stunde durch die Gebirge im Süden des Landes. In der Region Rybnik fiel bei mehr als 2000 Menschen die Heizung aus. In der westukrainischen Region Lwiw starben vier Menschen an den Folgen der Kälte.
Der Frost hat auch Tschechien fest im Griff. In Prag fand eine Polizeistreife am Samstag unter einer Brücke die Leiche eines Obdachlosen, der in der Nacht erfroren war. In der Gemeinde Hradistko in Mittelböhmen brachen zwei Männer auf dem Eis eines Sees ein. Für einen der beiden kam die Hilfe der Rettungskräfte zu spät, er starb an Unterkühlung. Es soll Alkohol im Spiel gewesen sein.
Krisenzentrum in Istanbul eingerichtet
In Istanbul sei die Sichtweite auf dem Bosporus zeitweise unter 100 Meter gefallen. Auch die Bosporusfähren zwischen der europäischen und der asiatischen Seite Istanbuls stellten den Verkehr ein. Turkish Airlines allein musste Hunderte Flüge vom Flughafen Atatürk gestrichen. Dutzende weitere Airlines waren betroffen.
Anadolu berichtete am Samstag, stellenweise seien in Istanbul über Nacht bis zu 40 Zentimeter Schnee gefallen. Die heftigen Niederschläge bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt führten zu starken Verkehrsbehinderungen in der hügeligen Stadt. Der Gouverneur von Istanbul richtete ein Krisenzentrum ein.
Eine Kaltfront hatte bereits am Freitag zu einem Temperatursturz in der Stadt geführt. Am Abend hatte zusätzlich zu stürmischen Winden dichter Schneefall eingesetzt, der den Vorhersagen zufolge noch den Samstag über andauern sollte. Auch für kommende Woche ist Schnee vorhergesagt.
Windgeschwindigkeiten bis 160 Stundenkilometer in der Adria
In Italien traf der Sturm unter anderem die im Sommer von einem Erdbeben verwüsteten Gegenden. Auf Sizilien und in Neapel mussten Fähren im Hafen bleiben. In der Stadt am Vesuv schneite es zum ersten Mal seit langer Zeit wieder. Züge fielen aus, Strassen wurden gesperrt. In Rom trotzten rund 35000 Gläubige der Kälte und warteten auf dem Petersplatz auf den Segen von Papst Franziskus zum Dreikönigstag.
In der Adria wütete der Sturm mit Spitzengeschwindigkeiten von 160 Stundenkilometern. Kroatien stoppte den Fährverkehr zu einigen Inseln. Auch Brücken wurden gesperrt.
Verkehrschaos und abgeschnittene Dörfer in Südosteuropa
In Rumänien blieben am Freitag zahlreiche Autos im Schnee stecken. Rettungskräfte holten 90 Menschen aus liegen gebliebenen Fahrzeugen. Rund 30 weitere Personen harrten noch in ihren Autos aus. Die Behörden evakuierten 622 Dialysepatienten und 126 Schwangere. Wegen zugeschneiter Gleise fielen mehr als 40 Züge aus.
In Bulgarien schnitt der Schneesturm die Stromversorgung für rund 650 Dörfer ab. Im Norden Albaniens arbeiteten sich die Rettungsdienste durch bis zu 120 Zentimeter hohen Schnee in abgeschnittene Dörfer vor. Auch der Strom fiel vielerorts aus.
Weitere Opfer wird es wohl in Ungarn geben. Da gab es im vergangenen Jahr bereits doppelt so viele Kältetote wie im Jahr zuvor. Im vergangenen Jahr seien mindestens 80 Personen erfroren, gab das Ungarische Sozialforum in einer ersten Bilanz am Freitag bekannt. Darunter seien viele Obdachlose. Und in dieser Bilanz ist die aktuelle Kältewelle noch nicht eingerechnet.
Schnee auf griechischen Inseln
Im Norden Griechenlands herrscht seit Freitag Dauerfrost. Die Thermometer in der Hafenstadt Thessaloniki zeigten am Samstag um die Mittagszeit minus sieben Grad Celsius. Am schlimmsten leiden Tausende Flüchtlinge auf den Inseln, die in Zelten ausharren müssen.
Zahlreiche Landstrassen waren nur mit Schneeketten befahrbar, wie die Polizei mitteilte. Eine dünne Schneedecke lag auf den Stränden zahlreicher Touristeninseln. Auch im Zentrum Athens herrschten Temperaturen um den Gefrierpunkt.
Die Balkanstaaten meldeten Temperaturen von bis zu 27 Grad Minus. Selbst in der kroatischen Hafenstadt Split lagen sie nach Angaben des Wetterdiensts bei minus sieben Grad - und waren damit so niedrig wie seit 50 Jahren nicht mehr.
Glatteis in Frankreich und den Niederlanden
In Frankreich gaben die Behörden vor allem für den Norden Glatteiswarnung aus. Selbst in der Pariser Region wurden bis zu elf Grad Minus gemessen. In mehr als 30 Departements galt erhöhte Alarmstufe. Mehrere Städte hatten in Turnhallen Schlafplätze für Obdachlose eingerichtet.
In den Niederlanden wurden bei rund 330 Glätteunfällen am Samstag mehrere Menschen verletzt. Ein Autofahrer kam ums Leben, wie die Polizei mitteilte. Er sei nahe der Ortschaft IJzendoorn in der Provinz Gelderland mit seinem Wagen in einen Graben neben der Autobahn A15 gestürzt.
Eisregen habe Strassen in weiten Teilen des Landes in Rutschbahnen verwandelt, sagte ein Sprecher des Ministeriums für Infrastruktur und Umwelt. Auch im Bahnverkehr sorgte Eisregen für Störungen.
Der Deutsche Wetterdienst warnte am Samstag ebenfalls vor «unwetterartiger Glatteisbildung» in Nordrhein-Westfalen und Unwettergefahren durch Glatteis auch im Nordwesten. Er rief die Menschen auf, zu Hause zu bleiben und nach Möglichkeit Autofahrten zu vermeiden.
Quelle 20 Minuten