Die Schwachstellen des EU-Türken-Deals

Die Türkei hat sich überraschend bereit erklärt, den Flüchtlingsstrom nach Europa zu bremsen. Doch nicht alle sind glücklich mit dem Aktionsplan der Türken.

Bei den Verhandlungen am Flüchtlings-Gipfel in Brüssel blieb der grosse Durchbruch aus. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu erklärte sich jedoch überraschend bereit,  die illegale Migration Richtung Griechenland zu stoppen. Dafür präsentierte er einen Katalog von Vorschlägen und Forderungen, die im Detail noch ausgehandelt werden müssen:

  • Alle Migranten, die unerlaubt von der Türkei aus auf griechische Inseln reisen, sollen wieder in die Türkei zurückgeführt werden. Die Kosten dafür würde die EU tragen.

  • Dafür soll für jeden Syrer, der von einer griechischen Insel zurück in die Türkei gebracht wird, einer legal in die EU kommen können. Das Verfahren wird «Eins-zu-Eins»-Formelgenannt. Sie soll vor allem den Markt für die Schlepperbanden trockenlegen.

  • Die Visa-Bestimmungen für Türken, die in die EU reisen wollen, sollen erleichtert werden. Spätestens Ende Juni sollen türkische Staatsbürger kein Visum mehr für Länder in der Schengen-Zone benötigen.

  • Die EU soll sich bei der Auszahlung der drei Milliarden Euro beeilen, die sie der Türkei bereits im November für die Versorgung von Flüchtlingen zugesagt hat. Ausserdem möchte die Türkei bis ins Jahr 2018 weitere Mittel, um die Situation der Flüchtlinge zu verbessern.

  • In Syrien sollen «sichere Zonen» für Flüchtlinge eingerichtet werden.

  • Die Europäische Union soll sich auf eine Ausweitung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorbereiten.

    Die EU-Staatschefs äussern sich optimistisch

  • Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte, man sei einen «qualitativen Schritt weitergekommen». Das Vorhaben sei «ein Durchbruch», wenn es umgesetzt werde. Über die Details müsse man aber noch reden.

  • Auch britische Premierminister David Cameron findet, es sei die «Basis für einen Durchbruch» mit der Türkei gelegt worden.

  • Der französische Präsident François Hollande ist hoffnungsvoll. Der Gipfel habe gezeigt, dass die Flüchtlingsfrage «auf solidarische Art und Weise» mit der Türkei angegangen werden könne.

  • Gemäss EU-Ratspräsident Donald Tusk sei der türkische Vorschlag «ein Durchbruch», wenn er realisiert werde. «Die Tage illegaler Migration nach Europa sind vorbei», sagte er in der Nacht auf Dienstag.

    Doch nicht alle sind glücklich

  • Der Vorschlag der Türkei stiess von verschiedenen Seiten auch auf heftige Kritik. Der ungarische Premierminister Viktor Orban kündigte Widerstand an. Für den Versuch, Flüchtlinge von der Türkei nach Europa umzusiedeln, habe er ein Veto eingelegt, teilte er am Montagabend mit.

  • Ebenso kritisierten Menschenrechts-Gruppierungen den Pakt. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl bezeichnete den Plan zur Verteilung von Flüchtlingen «vergiftet» und «menschenverachtend». Nicht nur Syrer seien Flüchtlinge – man dürfe sie nicht gegen andere Flüchtlingsgruppen, etwa aus Afghanistan und dem Irak, ausspielen.

  • Auch die engere Zusammenarbeit der EU mit der Türkei wird nicht überall gerne gesehen. Mehrere EU-Staats und Regierungschefs äusserten sich besorgt um diePressefreiheit in der Türkei. Vor wenigen Tagen hatten die türkischen Behörden den Sitz der regierungskritischen Zeitung «Zaman» gestürmt – ebenso haben sie die Kontrolle über die Nachrichtenagentur Cihan übernommen.

  • Bei all dem Optimismus bestehen Zweifel, ob die Türkei wirklich fähig ist, ihren eigenen Aktionsplan in die Tat umzusetzen. Denn schon jetzt erhält die Türkei Geld mit dem Auftrag, durch einen härteren Kampf gegen die Schlepper die Flüchtlingszahlen zu reduzieren. Ihren Teil der Abmachung konnte die Türkei bislang nicht einhalten. Im Februar kamen 56'000 neue Flüchtlinge in Griechenland an, die meisten von ihnen aus der Türkei. Korrupte türkische Polizisten machen gemäss Medienberichten oft gemeinsame Sache mit Schleppern.

  • Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras wollte nicht so ganz in die Euphorie einstimmen: Die Ergebnisse seien lediglich ein Schritt nach vorn, es müssten jedoch noch viele weitere folgen.

    Wie geht es jetzt weiter?

    Der nächste EU-Gipfel findet bereits am 17. und 18. März statt. Gemäss Angela Merkel könnte es dann eine Einigung mit der Türkei geben.

    Übrigens hat sich Merkel bei der Formulierung der Gipfelerklärung durchgesetzt. Darin sollte die Balkanroute für «geschlossen» erklärt werden. Im Abschlusstext, der am frühen Morgen veröffentlicht wurde, heisst es nun: «Irreguläre Ströme von Migranten entlang der Route des westlichen Balkans müssen nun enden.» 

  • Quelle: BLİCK

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