Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei vom 15. Juli wurde in den Medien viel darüber spekuliert, ob nicht möglicherweise der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan selbst dahinterstecke, weil der Putsch ihm den Vorwand liefert, den Ausnahmezustand auszurufen und alle Gegner seiner Politik einzusperren. Gegenwärtig deutet vieles darauf hin, dass dies keineswegs der Fall ist. Tatsächlich handelt es sich um einen vom amerikanischen Geheimdienst CIA initiierten Putschversuch, bei dem sich die CIA ihres wichtigsten Aktivpostens in der Türkei, des Netzwerks von Fethullah Gülen, bediente. Er hatte sich vor einigen Jahren der Strafverfolgung in der Türkei durch Flucht entzogen.
Analysiert man genauer, »was« Fetullah Gülen eigentlich ist, so entdeckt man schnell, dass es sich hier mitnichten um einen großväterlich wirkenden, moderaten 75-jährigen Gelehrten und islamischen Prediger handelt. Seine Netzwerke wurden von Islamexperten als die gefährlichste Bewegung in Deutschland bezeichnet und wurden in verschiedenen zentralasiatischen Ländern verboten.i Nun soll die Gülen-Bewegung auch in der Türkei laut einer Kabinettsentscheidung als »Terrorgruppe« eingestuft werden. Immer mehr zeichnet sich ab, dass es sich bei dem gescheiterten Putschversuch offenbar um einen Testballon der Gülen-Führungsoffiziere aus Langley handelt, um zu sehen, wie Erdoğan auf eine solche Situation reagieren würde. Washington war mit der außenpolitischen Wende Erdoğans, der eine Wiederannäherung an Russland und möglicherweise sogar an den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ins Auge fasste, überhaupt nicht einverstanden.
Bei Fethullah Gülen geht es weniger um die Frage, »wer«, sondern »was« er ist. Und dieses »was« ist eines der ausgedehntesten und ausgeklügelsten Netzwerke zur Ersatzkriegsführung, das jemals von der amerikanischen Geheimdienstgemeinschaft geschaffen wurde. Es ist in zahlreichen Ländern wie den USA und Deutschland sowie in den geschichtlichen Siedlungsregionen der Türken und Turkvölker in Zentralasien aktiv, die sich von der Türkei bis zum Volk der Uiguren in der erdölreichen chinesischen Autonomen Provinz Xinjiang erstrecken.
Das Spinnennetz des Fethullah Gülen
Die folgende Darstellung basiert auf Recherchen für mein Buch Amerikas heiliger Krieg – Was die USA mit dem »Krieg gegen den Terror« wirklich bezwecken. Zur Einstimmung ein Zitat aus einer Rede Gülens, die er in den 1990er-Jahren vor Anhängern hielt, als er noch in der Türkei lebte:
»Ihr müsst in die Arterien des Systems eindringen, ohne dabei bemerkt zu werden, bis ihr in alle Schaltstellen der Macht vorgedrungen seid … Ihr müsst bis zu dem Moment warten, da ihr genug seid und die Lage reif ist, bis wir die gesamte Welt auf unsere Schultern nehmen und tragen können … Ihr müsst warten, bis der richtige Moment gekommen ist, bis ihr alle staatliche Macht … in der Türkei … in Händen haltet … Bis zu diesem Zeitpunkt wäre jeder Schritt voreilig. Es wäre so, als zerbräche man ein Ei, ohne die 40 Tage zu warten, bis das Küken schlüpft.«
Noch als die CIA die arabischen Mudschahedin (»Gotteskrieger«) Osama bin Ladens in den 1990er-Jahren in Tschetschenien und dem Kaukasus einsetzte, begann sie auch in Zusammenarbeit mit einem Netzwerk selbsternannter »Neokonservativer« in Washington, ihr bisher ehrgeizigstes Vorhaben im Zusammenhang mit dem politischen Islam zu verwirklichen.
Dieses Projekt wurde als »Gülen-Bewegung« bezeichnet, in der Türkei ist sie als »Cemaat« oder »Die Gesellschaft« bekannt. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist Hizmet, was sie als »Dienst« an der islamischen Gemeinschaft versteht. Interessanterweise wird diese türkische Bewegung seit 17 Jahren von einem kleinen Ort namens Saylorsburg im amerikanischen Bundesstaat Pennsylvania aus gesteuert. Von dort aus baute der zurückgezogen lebende Namensgeber der Bewegung, Fethullah Gülen, ein weltweites Netzwerk von Islamschulen, Wirtschaftsunternehmen und Stiftungen mit Geldern auf, deren Herkunft nicht zurückverfolgt werden kann. Seine Gülen-Bewegung verfügt weder über eine Adresse, noch ein Postfach, noch einen offiziellen Eintrag als Organisation oder Verein, kein Hauptkonto, nichts. Seine Anhänger haben niemals für die Scharia oder den Dschihad demonstriert – ihre Aktivitäten erfolgten und erfolgen alle im Verborgenen.
2008 wurde der weltweite Finanzwert des Gülen-Imperiums in von der amerikanischen Regierung eingereichten Gerichtsdokumenten mit zwischen 25 Milliarden und 50 Milliarden Dollar beziffert. Niemand konnte genau belegen, wie groß das Vermögen ist, da es keine unabhängigen Gutachter gab. In einer Aussage vor einem amerikanischen Gericht erklärte ein loyal zur Cemaat stehender Journalist während der Anhörung zu Gülens Antrag auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung in Amerika zum Gesamtumfang des Gülen-Imperiums:
»Die Anzahl der Projekte, die von Anhängern Gülens heute unterstützt werden, geht in die Tausende. Sie sind grenzübergreifend und kostenintensiv, was Human- und Finanzkapital angeht. Zu diesen Initiativen gehören mehr als 2000 Schulen und sieben Universitäten in mehr als 90 Ländern auf fünf Kontinenten sowie zwei moderne Krankenhäuser, die Zeitung Zaman, die in einer türkischen und einer englischen Ausgabe erscheint, der Fernsehsender Samanyolu, ein Radiosender (BurcFM), die bedeutende türkische Nachrichtenagentur CHA, das wöchentlich erscheinende Nachrichtenmagazin Aksiyon, nationale und internationale Gülen-Konferenzen, religionsübergreifende Ramadan-Abendessen, religionsübergreifende Dialogreisen in die Türkei aus vielen Ländern der Welt und die vielen Programme, die von der Stiftung ›Journalisten und Schriftsteller‹ unterstützt werden. Hinzu kommen noch die Versicherungsgesellschaft Isik sowie die Bank Asya, eine islamische Bank, die auch mit der Gülen-Bewegung in Verbindung steht.«ii
Die Bank Asya wurde von dem in London erscheinenden Magazin Banker unter den führenden 500 Banken der Welt aufgelistet. Sie betreibt gemeinschaftliche Bankgeschäfte mit anderen Instituten im gesamten muslimischen Afrika, vom Senegal bis Mali, und ist eine strategische Zusammenarbeit mit der Tamweel Africa Holding der Islamischen Entwicklungsbank mit Sitz im Senegal eingegangen.
Die Zeitung Zaman, zu der auch die englischsprachige Ausgabe Today’s Zaman gehört, war die auflagenstärkste Tageszeitung der Türkei. Im März dieses Jahres stürmte die türkische Polizei das Redaktionsgebäude und stellte die Zeitung unter Zwangsverwaltung.
Gülen und seine Bewegung verfolgen kein geringeres Ziel, als die Überbleibsel des modernen säkularen Kemalismus in der Türkei zu zerstören und wieder zum Kalifat von einst zurückzukehren. In einer seiner Schriften seiner Anhänger erklärte er: »Mit der Geduld eine Spinne spinnen wir unser Netz, bis sich die Menschen darin verfangen.«
Ein islamisches Opus Dei
Das türkische Fernsehen strahlte 1999 eine Predigt Gülens aus, die er vor zahlreichen Anhängern gehalten hatte und in der er sein Streben nach einer islamistischen Türkei darlegte, in der die Scharia (das religiöse Gesetz des Islam) herrschen sollte. Er ging aber auch auf die besonderen Methoden ein, die eingesetzt werden sollten, um dieses Ziel zu erreichen. In jener geheimen Predigt, aus der ich schon oben ausführlich zitiert habe, mahnte Gülen:
»Die Arbeit besteht darin, sich der Welt entgegenzustellen. Ich habe euch jetzt alle meine Gefühle und Gedanken dargelegt – im Vertrauen auf eure Loyalität und Verschwiegenheit.«iii
1998 setzte sich Gülen in die USA ab, nachdem kurz zuvor eine an Hochverrat grenzende Rede, die er vor seinen Anhängern bei einem privaten Treffen gehalten hatte, aufgezeichnet worden war und er damit rechnen musste, dass sie veröffentlicht würde. Dort hatte er, wie die Aufzeichnung belegt, seine Unterstützer aufgefordert, »Geduld zu üben und die staatlichen Institutionen zu unterwandern, um dann die staatliche Macht zu übernehmen«. Dies erfüllt ohne Frage den Straftatbestand des Verstoßes gegen die Verfassung, in der Atatürk seine kemalistischen Prinzipien verankert hatte. Kurz nach seiner Flucht nach Pennsylvania forderten türkische Staatsanwälte eine zehnjährige Haftstrafe für ihn, weil er »eine Organisation gegründet hat, die den säkularen Staatsapparat zerstören und ein theokratisches Staatswesen errichten will«.
Gülen hat seit seiner Flucht die USA nicht mehr verlassen, obwohl ihn die Gerichte des Islamisten Erdoğan 2006 von allen Vorwürfen freisprachen. Seine Weigerung, in die Türkei zurückzukehren, verstärkte die Überzeugung seiner Gegner in der Türkei, er verfüge über enge Beziehungen zur CIA.
Im Jahre 2000 wurde Gülen von den damals noch säkular orientierten türkischen Gerichten wegen des Verdachts auf Landesverrat angeklagt. Unter dem Vorwand, er leide unter Diabetes, gelang es Fethullah Gülen mithilfe einiger sehr einflussreicher Freunde in der CIA und im amerikanischen Außenministerium, sich in die USA abzusetzen und dort eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, bevor Anklage erhoben wurde. Es wurde der Verdacht laut, er sei vorab gewarnt worden.
Ein Wolf im Schafspelz – mit CIA-Hilfe
Die CIA entschied, Fethullah Gülen ein ganz anderes Image in der Öffentlichkeit zu verschaffen als etwa den dschihadistischen »Gotteskriegern« wie Gulbuddin Hekmatyar in Afghanistan oder Naser Oriin Bosnien. Statt als blutrünstiger, köpfender und Menschenherzen verspeisender Dschihadist wurde Gülen der Weltöffentlichkeit als Mann des »Friedens, der Liebe und der Brüderlichkeit« präsentiert. Man arrangierte sogar ein Treffen mit Papst Johannes Paul II. Ein Foto dieser Begegnung veröffentlichte Gülen stolz an prominenter Stelle auf seiner Internetseite.
Kurz nach seiner Ankunft in den USA engagierte die Gülen-Bewegung eine der bestbezahlten Washingtoner Expertinnen für Öffentlichkeitsarbeit, George W. Bushs frühere Wahlkampfleiterin Karen Hughes, die Gülens Image als Galionsfigur eines »moderaten« Islams weiter polieren sollte. Das »Projekt Gülen« der CIA zielte auf die Schaffung eines neuen osmanischen Kalifats ab, das die eurasische Großregion des früheren Osmanischen Reiches »zurückholen« sollte.
Als Gülen 1999 die Türkei überstürzt wegen eines drohenden Hochverratsprozesses verlassen musste, entschied er sich – mithilfe der CIA – für die USA als neuen Wohnsitz. Aus Gründen, die mit den Anschlägen vom 11. September 2001 zusammenhängen, lehnten sowohl das amerikanische Heimatschutzministerium als auch das Außenministerium die Erteilung eines »Vorzugsvisums für einen Ausländer mit außerordentlichen Fähigkeiten im Bereich der Bildung und Erziehung« ab. Sie legten dem Gericht einen detaillierten Bericht vor, in dem sie zeigten, dass Fethullah Gülen, der gerade einmal die fünfte Klasse abgeschlossen hatte, für ein solches Vorzugsvisum nicht qualifiziert sei. Sein Werdegang, so argumentierten sie, »enthält eindeutige Hinweise darauf, dass der Antragsteller keinesfalls ein Experte im Bereich der Bildung und auch kein Erzieher ist sowie sicherlich nicht zu dem kleinen Prozentsatz an Bildungsexperten gehört, die sich an die Spitze ihres Faches hochgearbeitet haben. Darüber hinaus liegen überwältigende Hinweise dafür vor, dass es sich bei dem Antragsteller vorrangig um den Anführer einer großen, einflussreichen religiösen und politischen Bewegung mit erheblichen kommerziellen Interessen handelt.«iv
Gegen die Widerstände des FBI, des Außenministeriums sowie des Heimatschutzministeriums intervenierten drei frühere hochrangige CIA-Mitarbeiter, und es gelang ihnen, für Gülen eine Green Card und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu erwirken. In ihrer gerichtlichen Stellungnahme, in der die Rechtsvertreter des Außenministeriums die Erteilung des Visums ablehnten, hatten sie bemerkenswerterweise erklärt: »Aufgrund der erheblichen Geldmittel, die Gülens Bewegung zur Finanzierung seiner Vorhaben bereitstellt, wird behauptet, es gebe geheime Vereinbarungen zwischen ihm und Saudi-Arabien, dem Iran und der türkischen Regierung. Es besteht der Verdacht, dass auch die CIA an der Finanzierung dieser Projekte beteiligt ist.«
Bei den drei CIA-Mitarbeitern, die sich bei den Anhörungen im Jahr 2007 im Zusammenhang mit Gülen für eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung einsetzten, handelte es sich um den früheren amerikanischen Botschafter in der Türkei, Morton Abramowitz, sowie die CIA-Mitarbeiter George Fidas und Graham E. Fuller. George Fidas hatte 31 Jahre für die CIA gearbeitet und dort unter anderem mit dem Balkan zu tun gehabt. Morton Abramowitz arbeitete ebenfalls eng, wenn auch »informell«, mit der CIA zusammen. Präsident George H. W. Bush ernannte ihn 1989 zum Botschafter in der Türkei. Die frühere FBI-Übersetzerin (Türkisch, Farsi und Aserbaidschanisch) und Whistleblowerin Sibel Edmonds bezeichnete Abramowitz und Graham E. Fuller als Teil einer dunklen Kabale innerhalb der amerikanischen Regierung, die, wie sie entdeckte, Netzwerke aus der Türkei dazu benutzte, einen kriminellen »Staat im Staate« in der türkischen Welt von Istanbul bis nach China hinein zu errichten. Dieses von ihr dokumentierte Netzwerk war in erheblichem Maße unter anderem daran beteiligt, Heroin aus Afghanistan heraus zu schmuggeln.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Außenministerium arbeitete Abramowitz im Vorstand der vom amerikanischen Kongress finanzierten Organisationen National Endowment for Democracy (NED) und gehörte zusammen mit George Soros zu den Mitbegründern der International Crisis Group. Sowohl das NED als auch die International Crisis Group waren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den 1990er- Jahren an verschiedenen amerikanischen »Farbenrevolutionen« beteiligt.
Graham E. Fuller, der dritte CIA-»Freund« Gülens, war seit den 1980er- Jahren intensiv an CIA-Aktivitäten im Zusammenhang mit der Steuerung und Kontrolle der Mudschahedin und anderer politischer islamischer Organisationen beteiligt gewesen. Er leitete 20 Jahre lang verantwortlich die CIA-Operationen in der Türkei, im Libanon, in Saudi-Arabien, dem Jemen und Afghanistan und gehörte zu den ersten CIA-Agenten, die den Einsatz der Muslimbruderschaft und ähnlicher islamistischer Organisationen zur Förderung der amerikanischen Außenpolitik befürworteten.
1982 wurde Graham Fuller zum verantwortlichen CIA-Abteilungsleiter für den Nahen Osten und Südasien (»National Intelligence Officer«) ernannt. Dort war er sowohl für Afghanistan, wo er auch schon als CIA-Stationschef tätig gewesen war, als auch für Zentralasien und die Türkei zuständig. Fuller gehörte auch zu den hochrangigen CIA-Mitarbeitern, die die Regierung Reagan davon überzeugten, die Kräfteverhältnisse in dem acht Jahre dauernden Krieg zwischen dem Iran und dem Irak zu verändern, indem man über Israel illegal Waffen in den Iran schmuggelte. Diese Operation bildete das Zentrum des sogenannten Iran-Contra-Skandals.
Als der Krieg der Mudschahedin in Afghanistan 1988 abflaute, »verließ« Fuller die CIA im Range eines stellvertretenden Direktors des National Council on Intelligence und wechselte zur RAND Corporation. Dabei ging es ihm möglicherweise auch darum, den damaligen Präsidentschaftskandidaten George H. W. Bush – Fullers früheren Chef bei der CIA – aus der Schusslinie zu nehmen.
Bei der RAND Corporation handelt es sich um eine neokonservative Denkfabrik in Washington mit engen Verbindungen zum Pentagon und der CIA. Es gibt Anzeichen dafür, dass Fullers Arbeit bei RAND wesentlich mit dazu beitrug, die CIA-Strategie weiterzuentwickeln, gemäß derer die Gülen-Bewegung als geopolitische Speerspitze zum Vordringen in den ehemals sowjetischen Teil Zentralasiens benutzt werden sollte. Unter den Papieren, die Fuller bei RAND verfasste, befinden sich auch Studien über den islamischen Fundamentalismus in der Türkei, im Sudan, in Afghanistan, Pakistan und Algerien sowie zur »Überlebensfähigkeit« des Iraks und zur »Neuen Geopolitik in Zentralasien« nach dem Untergang der Sowjetunion. In diese Regionen wurden dann Fethullah Gülens Kader ausgeschickt, um dort Gülen-Schulen und Koranschulen zu errichten.
Noch während seiner Zeit bei RAND setzte sich Fuller 1999 für den Einsatz muslimischer Kräfte zur Förderung amerikanischer Interessen in Zentralasien gegen China und Russland ein. Damals schrieb er: »Die Strategie, die Evolution des Islam zu steuern und den Islamisten gegen unsere Gegner beizustehen, hat in Afghanistan gegen die Russen wunderbar funktioniert. Die gleiche Doktrin kann immer noch angewandt werden, um die Reste des russischen Imperiums zu destabilisieren und insbesondere dem chinesischen Einfluss in Zentralasien entgegen zu wirken.«v
Aus den vorliegenden Hinweisen lässt sich schließen, dass Fuller und seine Kollegen beabsichtigten, Fethullah Gülen mit der wichtigsten Mission bei ihren Operationen »zur Destabilisierung der Reste des russischen Imperiums und der Eindämmung des chinesischen Einflusses in Zentralasien« zu betrauen.
Kurze Zeit nachdem Fuller in einem Schreiben an die amerikanische Regierung darum gebeten hatte, Gülen ein Vorzugsvisum und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung auszustellen, arbeitete er 2008 an einem Buch mit dem Titel »The New Turkish Republic: Turkey as a Pivotal State in the Muslim World« (»Die neue türkische Republik: die Türkei als ein Schlüsselstaat in der muslimischen Welt«). Dort heißt es:
»Gülens charismatische Persönlichkeit macht ihn zur führenden islamischen Figur der Türkei. Die Gülen-Bewegung verfügt über die größte und einflussreichste Infrastruktur und die größten finanziellen Ressourcen aller Bewegungen des Landes … Die Bewegung hat auch aufgrund ihres weit verstreuten Systems von Schulen … in mehr als einem Dutzend Ländern -– darunter die muslimischen Länder der früheren Sowjetunion, Russland, Frankreich und die USA -– internationale Bedeutung gewonnen.«vi
Die CIA und Gülen in Zentralasien
In den 1990er-Jahren breitete sich Gülens Cemaat-Bewegung eines weltweiten politischen Islams im gesamten Kaukasus und bis ins Innere Zentralasiens bis zur westchinesischen Provinz Xinjiang aus. Damit erfüllte sie genau das, was Fuller 1999 gefordert hatte, nämlich »die Reste des russischen Imperiums zu destabilisieren und insbesondere dem chinesischen Einfluss in Zentralasien entgegenzuwirken«.
Gülens Organisation war praktisch seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 mit Unterstützung der CIA aktiv an dieser Destabilisierung beteiligt, als die vorwiegend muslimischen ehemaligen Sowjetrepubliken sich von Moskau unabhängig erklärten. Eine zuverlässige Quelle aus dem FBI bezeichnete Gülen daher auch als »eine der wichtigsten operativen Personen der CIA in Zentralasien und im Kaukasus«.
Mitte der 1990er-Jahre hatte sich inmitten des Chaos der postsowjetischen Ära unter dem russischen Präsidenten Boris Jelzin ein Netzwerk aus mehr als 75 Gülen-Schulen nach Kasachstan, Tadschikistan, Aserbaidschan, Turkmenistan, Kirgisistan, Usbekistan und selbst nach Dagestan und Tatarstan in Russland ausgebreitet.
2011 veröffentlichte Osman Nuri Gündeş, ehemaliger Chef des türkischen Auslandsgeheimdienstes Millî İstihbarat Teşkilâtı (MIT) und zugleich in den 1990er-Jahren wichtigster Geheimdienstberater der damaligen Ministerpräsidentin Tansu Çiller, ein Buch, das wie eine Bombe einschlug, auch wenn es nur in der Türkei veröffentlicht wurde. In diesem Buch enthüllte der damals 85-jährige und längst pensionierte Gündeş, dass die Gülen-Schulen, die sich in den 1990er-Jahren in ganz Eurasien ausgebreitet hatten, Hunderten CIA-Agenten als Operationsbasen dienten, die an den Schulen unter dem Deckmantel »muttersprachlicher Englischlehrer« angestellt waren. Laut Gündeş brachte die Gülen-Bewegung allein in Kirgisistan und Usbekistan »130 CIA-Agenten« unter. Interessanterweise waren alle diese amerikanischen »Englischlehrer« mit amerikanischen Diplomatenpässen ausgestattet, eine durchaus ungewöhnliche Vorgehensweise bei normalen Englischlehrern.vii
Gegenwärtig geht Erdoğan mit bisher beispielloser Härte gegen das geheime Netzwerk Gülens vor, mit dem dieser versuchte, über Infiltration die Kontrolle über die Polizei, das Militär und das Justizwesen zu gewinnen. Es bleibt abzuwarten, ob die CIA mit einem zweiten Putsch mehr Erfolg haben wird. Sollte das Beispiel der jüngsten Ereignisse in Brasilien einen Hinweis erlauben, dürfte ein neuerlicher Putschversuch vermutlich nach einer Reihe von Finanzangriffen auf die türkische Lira und die angeschlagene türkische Wirtschaft erfolgen. Die Ratingagentur S&P hat mit ihrer Herabstufung der Türkei auf den Ausblick »negativ« am Mittwoch dieser Woche erste Schritte in dieser Richtung eingeleitet. Auch die anderen Ratingagenturen, Fitch und Moody`‘s, erklärten nun, sie überprüften den Status der Kreditwürdigkeit der Türkei.
QUELLE: KOPP ONLİNE VERLAG